Eine Gulet ist ein gemütliches Urlaubsschiff, erfunden für die Blaue Reise...
... für einen erholsamen Urlaub an der türkischen Küste. Die typische Gulet ist ein Zweimastschiff mit Gaffelsegeln und mehreren Vorsegeln. Meist wird der Begriff noch weiter gefasst: Gulet ist mehr oder weniger alles, was aus Holz gebaut wird, ein oder zwei Masten hat und als Slup, Ketsch oder Schoner getakelt ist. Neuerdings werden auch Drei- und sogar Viermaster zu Wasser gelassen und als Gulet bezeichnet. Charakteristisch ist der grosse Platz an und unter Deck. Die Kabinen sind fast so groß wie ein modernes Hotelzimmer, haben alle ein eigenes Bad mit Dusche und WC und an Deck, wo das Leben im Sommer stattfindet, gibt es viele Sonnenliegeflächen und Kuschelecken mit und ohne Sonnenschutz. In den letzten Jahren hat sich der Trend zu immer mehr Komfort - mit Klimaanlage, Icemaker, Mikrowelle etc. - und gutem Service durchgesetzt.
Die genaue Herkunft des Wortes 'Gulet' ist unklar. An der französischen Küste ist 'Goulettes' bereits seit dem 18. Jahrhundert bekannt. Der Sammelbegriff Gulet taucht in der Türkei erst mit dem forcierten Tourismus in den 80er Jahren auf. Inzwischen schließt Gulet sogar als Spitzgatter gebaute Holzschiffe und Spiegelketschen mit ein. Es gibt sogar Leute, die aus Stahl und Fiberglas gebaute holzähnliche Schiffe, wenn sie auf türkischen Werften gebaut wurden und annähernd dem Design der Gulet entsprechen, als Gulets bezeichnen.
Möglich ist, dass die türkische Bezeichnung Gulet vom venezianischen 'Galiota' kommt. Eine Vielzahl nautischer Begriffe ist ja im italienisch-griechischen-türkischen Seemannskauderwelsch zur türkischen Küste gewandert. So steht 'galiota' auch für eine 'galleon' mit Frachterform. Und 'galiota' könnte von 'galea' kommen, einer Bezeichnung mit der verschiedene Schiffstypen vom 12. bis ins 18. Jahrhundert bezeichnet wurden.
Nach dem Niedergang des Osmanischen Reiches war Bodrum in den 20er Jahren einige Zeit von italienischen Militärs besetzt worden. Die Beziehungen zwischen den italienischen Soldaten und den Einheimischen waren friedlich und so ist es durchaus möglich, dass die Fischer und Schwammtaucher einige Seemannswörter aus dem Italienischen übernommen haben. Dass das Wort Gulet aus dieser Zeit kommt, wäre eine plausible Erklärung. Vielleicht wird man in Zukunft genauer herausfinden wie der Begriff für seegängige Holzschiffe an die Küste kam.
Was ist ein Tirhandil?
Ein Tirhandil ist das Jahrhunderte alte Arbeitspferd des Mittelmeeres und ziemlich verwandt mit seiner Schwester, dem Kaik. Zur Familie gehört außerdem der griechische Transportesel namens Perama. Das genaue Gegenstück zur Tirhandil ist die griechische Trechenderi.
Die Tirhandil ist ein schmales, kleines Fischerboot mit charakteristischen gleichen Enden vorne und hinten, ein oder zwei Masten, Lateinersegeln, sowie Sprit- und Vorsegel. Das Boot konnte mit Rudern bewegt werden, wenn dies wegen fehlendem Wind (oder später: streikendem Motor) notwendig war. Griechische und italienische Fischer benutzten Tirhandil-Typen zum Schleppnetzenfischen.
Kaptan Kilavuzu, ein alter Bodrumer Kaptan, beschreibt das Tirhandil als ein spitznasiges Segelboot aus der Gegend von Bodrum mit zwei Masten, einem Bugsprit, Latainersegel und reichlich Laderaum. Die Verwandtschaft zum Kaik ist augenfällig. Es wird sogar behauptet, dass der Name Kaik aus dem Türkischen kommt, von 'kayik', was ein Segelboot aus der Levante war. (Die Istanbuler 'caiques' waren schmaler und leichter und wurden als Wassertaxis auf dem Bosporus verwendet.)
Einige Experten meinen, die Gulet habe sich aus dem Tirhandil entwickelt, um mehr Laderaum für sommerlange Schwammtauch-Expeditionen im Heckbereich zu schaffen. Andere meinen die Schwammtaucher seien mit Tirhandils bis nach Marokko gefahren. Peter Throckmorton beschreibt in seinem Buch über antike Wracks ("The Lost Ships") wie er zum ersten Mal auf einem Schwammtaucherboot zu Gast war, so:
'Mandaline' war ein 36 Fuß langer Spitzgatter (double-ended) und als Slup geriggt. Der Rumpf war wunderbar, ähnlich den norwegischen Fischer- und Rettungsbooten, lag allerdings nicht so tief im Wasser. Das Boot war ein 'aktarma', eine Konstruktionsvariante der Tirhandil, die auf Kalymnos entwickelt wurde. Ein "aktarma" ist sehr wendig, was ganz wichtig für ein Boot ist, welches niemals ankert, wenn es unterwegs ist und das außerdem die vollständige Ausrüstung der Taucher mitführen muss.
Und was ist eine Aynaketsch?
Eine 'ayna kiç' (eingedeutscht Aynaketsch) ist verwandt mit der Gulet, hat im Gegensatz zu ihr aber ein ausgebautes Heck mit einem spiegelähnlichen Abschluss. Der entscheidende Vorteil gegenüber einer Gulet ist der größere Platz für Gäste und Crew durch meist zwei zusätzliche Achterkabinen. Für die wachsenden Ansprüche des Blaue-Reise-Tourismus wurden in den letzten Jahren mehr Aynaketschen als Gulets gebaut. Segelpuristen allerdings bevorzugen eindeutig die Gulet und noch mehr die Tirhandil. Übersetzt heißt 'ayna kiç' übrigens 'getäfeltes Heck' oder Spiegelheck.
Während Tirhandils mit ihrem schmalen Achterdeck die besseren Segler sind, bieten Gulets und Aynaketschen einfach mehr Platz für Urlaubs-Reisen.