So hatte alles angefangen..
In den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts kamen türkische Bootsbauer aus Kreta nach Bodrum und brachten die Fähigkeit mit, seetüchtige kleine Schiffe aus Pinienholz zu bauen. Sie gründeten Werften rund um das alte Halikarnassos und zimmerten ganz ohne Pläne - wie von den Griechen gelernt - einfache Boote für die Fischer und Schwammtaucher. Auf einem ausgewählten starken Kielbalken wurden geschwungene Spanten aufgestellt, auf die - wie zu Odysseus Zeiten - Planken aufgenagelt wurden. Die "Spalten" zwischen den Planken wurden vom Kalfaterer mit geteerter Baumwolle abgedichtet und das offene Deck mit Decksbalken und schmalen Holzstäben eingedeckt, damit kein Wasser von oben in das Boot dringen konnte.
Noch in den 50er Jahren fuhren diese Boote mit zwei bis drei Mann Besatzung zum Marmarameer hinauf oder quer über das Mittelmeer an die tunesische Küste: zum Schwammtauchen. Mehmet-Kaptan erzählt: "Wir ruderten von morgens bis in den frühen Nachmittag an der Küste entlang. Dann zogen wir das Boot auf den Strand und begannen nach Schwämmen zu tauchen. Nebenbei fingen wir Fische, die wir am Abend am offenen Feuer brieten. Mit Sonnenuntergang legten wir uns an den Strand und früh am nächsten Morgen ging es weiter."
Einige Werften bauten größere Schiffe, die für den Transport von Waren an der Küste von Händlern in Auftrag gegeben wurden. Wein, Oliven und und die im Meer gefundenen Schwämme brauchten so nicht über holprige Pfade an Land, sondern über das offene Meer zu den Märkten in den Küstenstädten gebracht. Diese Boote waren bereits mit Motoren ausgerüstet. So konnten sie auch gegen den vorherrschenden Nordwind anfahren und meist pünktlich am Ziel sein. Manche waren mit einem Mast und einfachen Segeln ausgerüstet, um bei gutem Wind mit dem günstigen Vortrieb voran zu kommen. Sie fuhren bis nach Izmir oder weiter durch die Dardanellen auch bis nach Istanbul oder zu den Küstenstädten hinunter bis nach Mersin.
Kuno S. Steuben, der in den frühen 60er Jahren mit einem solchen Boot von Bodrum aus im Gökovagolf segelte, berichtet in seinem köstlichen Buch „Abenteuer mit SHANGRILA“, dass sich die Fischer von Bodrum nachts auf offenem Meer im Grenzgebiet mit den Fischern von Kos trafen und ihnen ihre Fische verkauften. Die Koser Fischer wiederum verkauften die türkischen Fische am nächsten Morgen mit Aufschlag auf dem Markt in Kos.
Die Schiffe waren ursprünglich meist Doppelender, das heißt sie liefen vorne und achtern spitz zu wie die berühmten norwegischen Rettungskutter "Colin Archer". Der türkische Name dafür ist Tirhandil. Aus dem Tirhandil entwickelte sich die Gulet und aus der Gulet die Aynakiç, zu deutsch: Spiegelketsch.